Donnerstag, 26. Januar 2017

Zwischen Leben und Tod (Kurzgeschichte)

Gedankenverloren blicke ich aus dem Autofenster. Schneelandschaften, soweit das Auge reicht. Musik dröhnt durch meine Kopfhörer. „Shape of you“ von Ed Sheeran. Die Musik ist so laut, dass ich die Gespräche meiner Familie gar nicht wahrnehme. Ich fühle mich abgegrenzt in meiner kleinen Welt. Weg von all dem Stress. Einfach mal loslassen und sich frei fühlen.

Plötzlich übertönt ein lautes Quietschen meine Musik. Ich werde aus dem Sitz geschleudert. Schreie ertönen. Es sind meine Schreie. Die Musik verstummt. Ein helles Licht umschlingt mich wie eine Schlange. Geblendet vom Licht schliesse ich die Augen und falle nach hinten.




Stille herrscht. Keine Schreie mehr. Kein lautes Quietschen. Nichts. Absolute Stille. Vorsichtig öffne ich die Augen. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich gar nicht mehr im Auto sitze. Ich liege mitten im Schnee. Es ist eisig kalt. Sofort springe ich auf.

Ich blicke mich um. Wie um Himmels Willen bin ich hier hergekommen? Ich erinnere mich an nichts mehr. Einzig und allein die Erinnerung, welche ich am liebsten vergessen würde, haust in meinem Kopf.


Der Unfall!

Panisch blicke ich mich um. Mama, Papa! Ich schreie laut umher. Doch niemand scheint mich zu hören. Ich bin alleine. Ganz alleine in... ja wo bin ich überhaupt?

Alles ist unglaublich hell und verschneit. Es scheint, als habe diese Helligkeit die ganzen Farben verschluckt. Und ich stehe ganz alleine hier. In einem Pullover und Jeans. Ich schlinge meine Arme um meinen Oberkörper.

Ich muss jemanden suchen. Man muss vom Autounfall wissen. In langsamen Schritten stampfe ich durch den Schnee.



Meine Zähne klappern, während sich meine Füsse total taub anfühlen. Schon seit geräumiger Zeit folge ich dem Weg vor mir. Doch weit und breit scheint niemand zu sein. Meine Angst steigt immer mehr. Was mache ich hier? 

Plötzlich höre ich ein lautes Wiehern. Erschrocken drehe ich mich um und erblicke das schönste Pferd, welches ich je zu Augen bekommen habe. Anmutig trabt es durch den Schnee auf mich zu. Es erinnert mich an ein Einhorn. Nur dass das Horn fehlt.

Vor mir bleibt es stehen und senkt den Kopf. Vorsichtig strecke ich die Hand und streichle an der Stirn. Sichtlich genüsslich stupst es mich an. Ein leises Lachen entgleitet mir. 

"Du musst aufwachen"

Erschrocken sehe ich mich um. Abgesehen vom Pferd und mir erblicke ich niemand. Wer hat denn da... Erstaunt wandert mein Blick zum Pferd. Ich will schon etwas sagen, als plötzlich wieder dieses seltsame Licht erscheint und mich umschlingt. Ich kann das Pferd nicht mehr sehen. Meine Augen schliessen sich und ich falle erneuert nach hinten



"Schatz, wach auf! Ich bitte dich, wach doch endlich auf" Ich höre ein Schluchzen. Ich erkenne es sofort. 

Ich öffne die Augen und blicke in das verweinte Gesicht meiner Mutter. Als sie erkennt, dass ich wach bin, beugt sie sich runter und schlingt ihre Arme um mich.

"Was ist passiert, Mom", frage ich verwirrt. Sie blickt mich an. 

"Wir hatten eine Unfall. Der Pferdetransporter vor uns ist ins Rutschen gekommen und wir konnten nicht mehr bremsen. Du warst zwei Tage im Komma, obwohl dir nichts zu fehlen scheint", schluchzt sie. "Wurde noch jemand verletzt?"

"Das Pferd im Transporter kam ums Leben."


5 Kommentare:

  1. Ich hoffe, dass dir die Geschichte gefallen hat. Vielen Dank, Anna von Alien Panda, für deine Idee.
    Freue mich auf deinen Kommentar

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  2. Wow! Das ist so wunderschön geschrieben! Die Fotos sind klasse ;)
    Vg Emily

    http://xsweetredstrawberry.blogspot.de/

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  3. Die Geschichte hat mich wirklich bewegt, sehr gut geschrieben!

    Einen angenehmen Abend, Marie Celine | http://marieceliine.blogspot.de

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  4. Gerade das letzte Foto passt im Zusammenhang der Geschichte wirklich wie die Faust aufs Auge und wirkt durch den Ausschnitt auch sehr stark.

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  5. Wunderschöne Geschichte, du hast echt Talent ^^!

    Liebe Grüße,
    Anna
    http://alien-panda.blogspot.de/

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